ÜBERLEGUNGEN ZUM WERK VON M. E. PRIGGE

Hat man ein Werk von Maria Elisabeth Prigge vor Augen, sollte man die Insgesamtheit dieses Oevres, die Zeichnungen, Holzschnitte, Carborundumdrucke, Radierungen, Lithografien aber vor allem die in der Landschaft realisierten Markierungen, die Installationen in Interieurs oder zerstörten Häusern nicht außer Acht lassen. Trotz medialer Verschiedenheit ist es gerade die durch den Vergleich zutage tretende Identität des Denkansatzes, die uns ein Verständnis ihrer Absichten ermöglicht.
Ihr gesamtes Werk ist dialogisch angelegt. Dies betrifft zum einen den durchgehenden Dialog mit den elementaren, die Zivilisation ausschließenden Urlandschaften von Irland, Lappland und vor allem immer wieder Island. Aus dieser Zwiesprache entsteht ihr Zeichenvokabular, das nicht als mimetisch angelegte Abstraktion der Landschaft zu gelten hat, viel mehr Zustände des Denkens selbst vermittelt, also Verdichtungen und in diesem Sinne auch Abstract des Denkens ist. Zum anderen fordert Prigge die Betrachter heraus die Zeichen jeweils für sich zu deuten und ihre von der Landschaft vermittelten Vorstellungen aufzunehmen. Wenn immer wieder der Begriff des Lesens fällt, so ist dies auch insofern berechtigt, da wir bei Prigge eine Welt schwarz-weißer Zeichen betreten.
Allen Werken gemeinsam ist eine Leidenschaft für Material, Materialität – das Sichtbarmachen des naturhaften Materials und seine Transzendierung durch Kunst, der Hinweis des Widerstandes und seine Überwindung. Die Transformation des Materials­ – Holz, Stein, Farbe, Papier – in die endgültige Gestalt ihres Formenvokabulars wird mit großer Entschiedenheit auf großzügigen Formaten, lapidar und sparsam vorgetragen.
Es wundert nicht, dass die Künstlerin nicht bei der grafischen Begrenzung des Blattes haltmacht, sondern den Dialog in die Landschaft trägt mit Elementen dieser Landschaft arbeitend, das entstandene Werk Wind und Wasser überlassend.
So wie die amerikanischen und britischen Land-Artisten Heizer und de Maria aber auch Long und Fulton sucht die Künstlerin die ”unberührte Natur” auf und realisiert (ohne Publikum, das diese, in der Zeit sich abspielenden und von der Zeit zerstörten Werke nur über die fotografische Dokumentation kennenlernt) ihre Eingriffe als Zeichnerin jenseits der konventionellen Mittel der Zeichnung. Die Zeichnung als Mittel der visuellen Reflexion und die elementare Natur sind die Parameter dieses sich medial immer wieder erweiternden und experimentierenden Werkes.

Peter Weiermair schrieb diesen Text 2002 für den Katalog M. E. Prigge BILDERLESEN“ .