Kunst als persönliche Entdeckung
Maria Elisabeth Prigge starb am 26. März 2007. Die österreichische Künstlerin wurde 58 Jahre alt.
Parallel zu einer eigenen Publikation über das druckgrafische Werk dokumentiert das vorliegende Buch den Nachlass ihres zeichnerischen und malerischen Œuvres. Zeitlich verortet sich dieses zwischen den frühen 1980er und späten 1990er Jahren, zumal sich die Künstlerin im letzten Lebensjahrzehnt vor allem dem Medium der Druckgrafik widmete.
Die Anfänge von Prigges künstlerischem Werk markieren Aquarelle, die verschiedenste auf Reisen gewonnene Landschafts- und Naturerfahrungen widerspiegeln. Die zeitlich nahen Tempera-, Öl- und Acrylbilder wirken oftmals wie Collagen, deren kompositorisches Anliegen als eine grundsätzliche Verdichtung von Formen, Farben und Zeichen erscheint.
Relativ rasch finden sich jedoch auch erste Bilder, in denen sich Prigge einerseits zunehmend analytisch mit konstituierenden Faktoren von Malerei beschäftigte und sie andererseits immer stärker auf die Konzeption von bildimmanenten Bildwirklichkeiten abzielte. Teilweise stößt man bei diesen Arbeiten auf bereits ausgesprochen reduzierte, teilweise monochrome Werke. Bisweilen widmete sich die Künstlerin auch der Visualisierung von Prozessen der Bildentstehung, die sich in einem strukturierten kompositorischen Aufbau manifestierten.
Mitte der 1980er Jahre prägten allerdings eher neoexpressive Stilmerkmale Prigges malerisches Œuvre. Impulsiv und spannungsgeladen entstanden im Sog der Malereidiskussion der 1980er Jahre Bildformulierungen, die einem spontanen Duktus folgten und sich als Generierung von malerischen Spannungsgefügen erweisen. Die Resultate erscheinen wie eruptive, informelle Kompositionen, die ihre bildimmanente Aufladung aus Verhältnissen von Form, Fläche, Linie und Farbe erzielen.
Retrospektiv funktionierte diese Phase für Maria Elisabeth Prigge allerdings eher wie ein Katalysator, aus dem sich sukzessive die ureigenste künstlerische Formensprache heraus entwickeln sollte: Immer stärker – und nun auch endgültig – wurden ab den späten 1980er Jahren reduzierte Formüberlegungen fassbar. Zunehmend stellte sich in den Arbeiten das für Prigge so charakteristische „Zeichenhafte“ ein. Es manifestiert sich als Bildanliegen, das ein klar umrissenes Formenrepertoire in das Wirkungsfeld von Zeichen, Chiffren und bisweilen auch archetypisch wirkenden Symbolen überführte.
Parallel reduzierte sich auch die Farbigkeit. Die schwarze Form auf monochromen, meist hellen Gründen unterstrich eine an Reduktion orientierte Bildwelt, deren Wirkung zwischen Zeichensetzung und Spurensicherung zu changieren begann.
Prigge verfolgt diesen Wesenszug nicht nur in der Malerei und Druckgrafik, sondern auch bei verschiedenen Objektüberlegungen in Naturkontexten bzw. öffentlichen Räumen. Landschaften in Schweden, Island oder auch Fuerteventura waren für die Künstlerin prägend. Naturausschnitte wurden für sie zur Zeichenfläche, in der sie mit Naturmaterialien selbst Bilder zu schaffen begann – sie legte Zweige in Lichtungen, ordnete Äste und ließ Muster, Zeichen und Ordnungen (manchmal auch nur für sich) evident werden: So wurde Vorgefundenes selbst zur Zeichnung und verschränkte sich stimmig mit ihrer Formensprache im Bereich der Malerei bzw. Druckgrafik.
Vielleicht hat jedoch auch gerade die in Naturkontexten so intensive Erfahrung des Elementaren Prigges Bildsprache nochmals geschärft. Sie entschied sich für eine immer präzisere Bildwelt, in der die Positiv/Negativ-Form selbst zum Wesenszug einer künstlerischen Gestaltung werden konnte. Die Natur schien allerdings auch das Bewusstsein um temporäre Eigenschaften bzw. die Vergänglichkeit an sich sensibilisiert zu haben.
Die Künstlerin entwickelte ein hohes Bewusstsein für den Faktor Zeit. Ihre Kunst folgte nicht dem Wunsch, Zeit festzuhalten, sondern der Vergänglichkeit ein künstlerisches Moment höchster Sensibilität entgegenzustellen. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die Arbeiten von Maria Elisabeth Prigge so grundsätzlich berühren. Die Zeichen wirken symbolisch. Sie vermitteln Archetypisches. Sie scheinen immer da gewesen zu sein. Sie charakterisieren eine Künstlerin, die vor allem für sich selbst etwas sehr persönlich und intensiv entdecken konnte und in ihrer Werkentwicklung daran arbeitete, diese Entdeckung möglichst authentisch zu verfolgen.
Martin Hochleitner schrieb diesen Text 2010 für die Nachlassdokumentation „M. E. Prigge. Zeichnung – Malerei – Installation“.