BEINAHE EINE FATA MORGANA

M. E. Prigges "Licht-Installation" im Schlosspark von Hellbrunn.

Die Art und Weise, mit der Frauen als Künstlerinnen der Natur begegnen, unterscheidet sich doch wesentlich von gestalterischem Männer-Gehabe. Bei vielen „maskulinen“ Land Art-Projekten hat man das Gefühl, dass die Landschaft als eine Art Gegner empfunden wird, der mit allen Mitteln unterworfen werden muss. Das biblische „Macht euch die Erde untertan“, wirkt bis in Zeiten nach, in denen ohnehin alles erobert und nichts mehr unmöglich ist. Land Art als Veränderung und Domestizierung der wilden Natur war seit den frühen Hochkulturen stets Sache von visionären Architekten und zahllosen Sklaven. Das Fleisch von Mutter Erde musste bewegt, verschoben, zu Terrassen geschichtet werden, um dem Herrschaftsanspruch der Patriarchen zu genügen.
Von all diesem Veränderungs-Pathos, der die Kunst der Landschaftsgestaltung bis zu den planerischen Exaltationen der jüngsten Vergangenheit kennzeichnet, ist in M. E. Prigges überaus sachtem Eingriff in den Park von Schloß Hellbrunn nichts zu spüren. Die Künstlerin respektiert ein Stück historischer Gartenkunst, das gleichsam Natur spielt. In dieses Oszillieren zwischen raffiniertem Kunstwerk und purer Natur setzt M. E. Prigge lediglich einige formale und materielle Akzente, die einem flüchtigen, oberflächlichen Streifblick entgehen könnten. Silbern glänzende Ornamentformen aus poliertem Aluminium erschließen sich nur demjenigen, der die Spur des Himmels im Gras und unter dem Wasserfirnis des Tritonenbeckens aufgenommen hat und den optischen Verlockungen gespiegelter Bläue, Wolken und Baumschatten folgt. Wie ausgeschnittene Himmelsfragmente liegen die flachen Scheiben im Grün und auf dem Kieselgrund des barocken Beckens mit seinen auftauchenden Meerwesen, an dessen Rand schon Trakl träumte.
Wie alle Spiegel sind die Elemente dieses Kunstwerkes Falltüren in ein Irgendwo und Angriffe aus einem Nirgendwo auf die eigene Person. Spiegel öffnen geheimnisvolle Korridore aus der Welt und sind Schusskanäle aus dem Jenseits, aus denen letztlich das eigene Gesicht springt. An die scharfen und verschwommenen Ränder des Seins führt M. E. Prigges Spiel der scheinbar gläsernen, metallenen Ornamente, die so einfühlsam mit dem Ornamentwerk der benachbarten Buxbaumparterre korrespondieren. Man strebt unbelastet in die ebenso künstliche wie schuldlos wachsende Natur und blickt schließlich sich selbst ins Auge. Das ist der Erfahrungsbogen, der im Hellbrunner Sommer 2003 zu beschreiten ist. Die Künstlerin hat der Natur keinerlei Gewalt angetan. Sie hat ihre „Dinge“ nur hineingelegt in einen größeren malerisch-grafischen Zusammenhang. Die untergetauchten Metall-Seerosenblätter des Tritonenbeckens, die an der Oberfläche des Wellengekräusels die geheimnisvollsten Lichtspiele hervorbringen, werden eines Herbsttages spurlos verschwunden sein. Die anmutigen Elemente werden auf dem Grün tiefere Spuren hinterlassen. Das nachwachsende Gras wird lange anders aussehen als die Umgebung. Es sind die zartesten Narben an der Grasnarbe, die man sich vorstellen kann. Die „Fata Morgana“ der Künstlerin hinterlässt langsam verschwindende Zeichen…

Anton Gugg schrieb diesen Text 2003 für den Katalog „M. E. PRIGGE Hellbrunn“

Lichtinstallation der Salzburger Künstlerin M.E.PRIGGE in Hellbrunn